Denly, Spring und Fans
Denly und Spring. Die beiden Herren links und rechts in den Maßanzügen sind uns leider nicht bekannt.

 

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Am 16. Januar 1930 erschien in der Zeitschrift "The Motor Cycle" ein mehrseitiger Artikel über eine ganz besondere Motorradtestfahrt.

Unter dem Pseudonym "Torrens" schrieb Arthur Bourne:

Das Höchste der Gefühle - Zwei vergnügliche Stunden auf der Straße mit der schnellsten Fünfhunderter der Welt

 

Es mag sein, dass es im Leben ein großartigeres Glücksgefühl gibt.

Ich hoffe es, aber ich kann’s mir nicht vorstellen.

Lesen Sie nun den folgenden Auszug eines heiß ersehnten Briefes, den ich vor ein oder zwei Wochen erhalten habe:

„Die Gänge sind identisch mit den in Frankreich verwandten, deshalb ist es auch nicht ganz einfach die Fuhre in Fahrt zu bringen.

Trotzdem sollte man 95-100 mph im zweiten Gang schaffen (!!)“

Die Ausrufezeichen stammen von mir (sehr skeptische Ausrufezeichen).

Der geneigte Leser fragt sich nun, was ist denn das für eine Maschine, mit der man im Zweiten bis 160 km fahren kann?

Es ist die OHC-AJS mit der DENLY in Arpajon/Frankreich den Geschwindigkeitsrekord von 118, 98 mph (= 191,474 km/h) aufstellte, mit anderen Worten die schnellste 500er Maschine der Welt.

 Ein einziges Mal sollte dieses Ding auf der offenen Landstraße gefahren werden, allerdings nur unter der Bedingung, keine allzu großen Strecken  zu fahren, da das Werk die Maschine noch für weitere Rekordfahrten einsetzen wollte.

 Das Startritual

 So geschah es dann, dass eines Tages ein Journalist einer Motorradzeitung in Princes Risborough ankam und einen wartenden Fotografen und zwei Gallonen Alkoholtreibstoff Marke R.D.I. vorfand.

Die AJS stand auf dem Bahnsteig - geschützt durch einen wattierten Überwurf.

Der Fotograf half beim Auspacken und machte dies auch ganz gut, während ich mich dabei ziemlich ungeschickt anstellte.

Als das schlanke chromblitzende Biest erst einmal freigelegt war, ging ich daran, mit einem Schraubenschlüssel alle wichtigen Muttern nachzuziehen.

Sie waren fest - jede einzelne von ihnen, auch Steuerkopf und Radlager waren in Ordnung.

Dann wurde der kleine, stromlinienförmige Tank mit Treibstoff gefüllt.

Nun kam das Wichtigste - das Starten.

Der Rennsportexperte von AJS, R.M. Nigel Spring hatte mir sehr ins Detail gehende Instruktionen mitgegeben und mich vor zu erwartenden Schwierigkeiten gewarnt.

 Zuerst überprüfte ich die Drehrichtung des Magnets und stellte ihn auf 2/3 Spätzündung.

Nun einen Blick auf die Kerze geworfen, wo ich eine mittlere Sportzündkerze entdeckte.

Dann im ersten Gang die Maschine rückwärts schieben bis der Kolben kurz vor dem OT steht und die Kupplung gezogen.

Vier oder fünf Schritte nach vorne, die Kupplung loslassen und aufspringen, dass das Hinterrad belastet wird.

Die Maschine feuert los -drei schwache Zündungen- dann nichts mehr - AUS.

Als sie zündete, hatte ich den Gasgriff um einen Bruchteil zu früh geöffnet, wo mich Spring noch davor gewarnt hatte, dass jedes plötzliche Gasgeben den Motor absterben lassen würde.

 Wieder vier oder fünf Schritte, diesmal etwas mehr Gas von Anfang an und der Motor sprang an.

Nun wartete ich während einer Zigarettenpause bis die Kiste warm war und rein mit der Rennkerze 341 von KLG, die wer-weiß-wieviel kostet.

Jetzt startete die AJS beim ersten Mal und über kleine Gässchen führten wir den Fotografen  zur offenen Landstraße.

Princes Risborough
Der Ort des Geschehens, die Hauptstraße in Princes Risborough. Torrens hat gerade den örtlichen AJS-Dealer passiert und entschwindet am Horizont......

Als ich  aus Risborough raus war, habe  ich erstmal Gas gegeben - wer könnte es mir verübeln?

Und alles was dabei herauskam, war viel mehr Lärm bei kaum größerer Geschwindigkeit.

Na klar, hatte ich ja auch vergessen, die Zündung zu verstellen.

Nun volle Frühzündung und Vollgas.

Es war mir, als würde sich die Kiste voll ins Zeug legen, der Vergaser in Atemnot geraten, die Fußrasten sich in meine Stiefel bohren ...und so verwandelte sich die Maschine in ein lärmendes, kreischendes und sich beschleunigendes Geschoss.

Schnellstens ging ich vom Gas, weil die engen und schmierigen Gassen sicherlich nicht der richtige Untergrund  sind, um mit der AJS solche Späßchen im ersten Gang zu machen.

 Und dann kam eine freie Strecke......

Könnte ich DAS jemals vergessen?

Zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig - in den Zweiten- sechzig-siebzig...- stellen Sie sich das einmal vor: Sie  fahren mit 80 daher und haben noch vierzig Meilen auf der hohen Kante.

 Der Brooklands-Buckel

 Verdammt- ein Schlag!.  Carneras schien mir einen Schlag versetzt zu haben - mir wurde urplötzlich klar, dass man auf einer Weltrekordmaschine nicht so sitzt, wie auf einer Straßenrennmaschine. Erstens befindet sich der Sattel genau über dem Hinterrad und weiterhin gibts keinen Platz für die Knie.

Das Gewicht auf die Handgelenke und Beine verlagert und den Körper über den Tank gebeugt, genau so ist es richtig - das musste ich erst mal rausfinden!

Trotzdem reichten mir fünfzig Meilen, dass ich steif und verspannt war.

 Oh Denly, ich beneide dich nicht um deine Rekordfahrten.......

 Für den Fotografen fuhr ich mit der AJS eine anstrengende lange Gerade hinauf.

Mit einem Anstieg, der jede normale Halblitermaschine ins Schwitzen geraten ließe. Der Motor kreischte im Ersten, den zweiten Gang rein, mehr und mehr stieg die Geschwindigkeit.

Schnurstracks schoss die Maschine den Hügel hoch und übersprang dabei Straßenunebenheiten bei einer Geschwindigkeit, wie sie nur wenige Sportgeräte leisten können. Und trotzdem gab es immer noch Reserven.

 Voll aufgedreht, nur ein paar Sekunden lang, DAS IST DÄMONISCH .

Auf dieser Wahnsinnsfahrt zeigte sie, was in ihr steckt.

Das abgehackte Bellen wurde zum Röhren. Das Röhren ging in ein Kreischen über... so schnell war ich noch nie zuvor... ZU SCHNELL!

Ich griff nach den Vergaserhebeln - in meiner Überstürzung an beide - und  schob sie zurück auf die Ausgangsposition.

Zweifellos kümmert es Denly ziemlich wenig, dass der Gashebel bei Vollgas aus der Reichweite seiner Finger ist, dieser Teufelskerl - aber mich ...?

 Ich schaffte es und wurde langsamer.

 Auf einer ebenen Strecke ist das Fahrverhalten superb.

Es mögen andere Maschinen ähnlich gut sein, aber ich bin sicher, dass keine sich besser fahren lässt.

Und obwohl sie eigentlich fürs Geradeausfahren gemacht wurde, fühlt sie sich auch auf kurvigen Abschnitten gut an.

Es verursachte bei mir auch keine Angst, in den Kurven mit dem Auspuff aufzusetzen, obwohl er sehr niedrig hing.

AJS Weltrekordmaschine NMM
Das ist die Maschine im National Motorcycle Museum. Original? Replika?

Zuviel für die Kerze

 

Nach etwa 30 Meilen kam eine lange Strecke bergabwärts. Das war dann zuviel für die Kerze.

Eine Meile ging die AJS noch mit einem Geräusch wie brrr-rr-brrup, brrr-rr-brrup, aber von selbst schien sie sich nicht mehr zu erholen. Wenn sie einmal hinüber war, konnte man sie auch nicht mit den schönsten Worten gesund beten.

Eine neue Kerze vollbrachte das Wunder und weitere Schwierigkeiten schienen ausgeräumt.

Nur bei Langsamfahrt kriegte ich von nun an Probleme, ich kann mir nur vorstellen, dass sich einfach zu viel Ölkohle ablagerte.

In Dörfern gab es nur einen Weg, die Maschine am Laufen  und gleichzeitig die Geschwindigkeit beizuhalten: immer schön den  Gasgriff drehen.

 Den vielleicht meisten Spaß machte die AJS beim Beschleunigen.

Halt sie im großen Gang auf Touren, mach den Gashebel zu und dann AUFREIßEN.

Automatisch greifst du fester zu, weil du glaubst nach hinten zu fallen und wenn ich mir es recht überlege: nach der Sitzposition zu urteilen, würde es auch passieren - egal, auf jeden Fall findest du dich auf dem Hinterradkotflügel wieder.

 Natürlich hat man die Gänge zum Schalten, doch bis man beim Umschalten wieder einige Touren verliert, war es doch einfacher mit 30-35 Meilen im Zweiten herumzuzockeln und die Zündung 1/3 zurückzunehmen.

Zu jeder erhöhten Geschwindigkeit lief die Maschine wirklich weich und die Motorabstimmung kann insgesamt nicht anders  als sehr gut bezeichnet werden.

Es mag einen Drehzahlbereich mit Vibrationen geben, ich konnte ihn aber nicht entdecken.

Die AJS ist ein kleines teures Spielzeug. Welchen Aufwand an Zeit und Geld zu erbringen ist, um sie wettbewerbsfähig zu machen ist, kann ich nicht sagen, aber sie ist es wert, in allen Punkten ...

 In einer Nonstopfahrt von 48 Meilen lief Sprit im Wert von 11 Schilling und 10 Pence (umgerechnet auf metrisches Geld ca. € 0,66 --those were the days ) durch den Vergaser.

Zwei ganze Gallonen von R.D.I. - 3 Pence pro Meile für Saft allein. Das ist das ETWAS , was Du für  das wunderbare Gefühl der unbegrenzten Kraft bezahlen musst. 

Ein sehr leerer Benzintank

In einer Nonstopfahrt von 48 Meilen lief Sprit im Wert von 11 Schilling und 10 Pence (umgerechnet auf metrisches Geld ca. € 0,66 --those were the days ) durch den Vergaser.

Zwei ganze Gallonen von R.D.I. - 3 Pence pro Meile für den Treibstoff allein. Das ist das ETWAS , was Du für  das wunderbare Gefühl der unbegrenzten Kraft bezahlen musst.

Ich hatte das Glücksgefühl,  der Tank das Nachsehen,  es war kein einziger Tropfen mehr im Tank  zu sehen, als wir nach Risborough Station zurück kamen.

Beide Schwimmerkammern waren jedoch voll, so dass ich die AJS ohne Nachtanken zurück nach Wolverhampton bringen konnte.

Demütig wickelte ich die AJS in ihren Reisemantel.

Wenn ich diesen Artikel überfliege, fällt mir erst auf, dass es eine einzige Anbetung ist. Ich hätte nichts anderes schreiben können nach diesen paar Stunden im Paradies der  sportlichen Motorräder.

Motor Cycle Januar 1930
Das ist der Artikel von 1930

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