Cammy-AJS (OHC) Modelle

Gegen Ende des Jahres 1926 war man bei AJS zu der Überzeugung gelangt, dass die Big-Port, so schnell sie auch zweifelsohne war, in nächster Zukunft von der Konkurrenz, wenn diese erstmals ausgereifte OHC-Konstruktionen vorweisen sollten, überholt werden würden.

Alec Bennett schlug ja in der 1926er Junior Trophy Jimmy Simpson auf der Stoßstangen-AJS und hatte zu dessen Missfallen als erster überhaupt mit einer OHC-Maschine die schnellste Runde auf der Insel geschafft.
So kam es denn bei AJS, dass Ingenieur Phil Walker mit der Entwicklung einer solchen Konstruktion betraut wurde.

Es wurde ein großer Wurf, die den Ruf der Wolverhamptoner Firma als einen der erfolgreichsten Hersteller von Rennmaschinen bestätigen sollte.

AJS 350cc 4-speed works racer 1927
AJS 350cc 4-speed works racer 1927

Das Ergebnis war ein solch großer Erfolg, dass besonders Hersteller vom Kontinent sie kopierten. Walker legte die Nockenwelle quer über den Zylinderkopf. Der Antrieb erfolgte über eine einfache Kette, die durch die interessante Weller-Konstruktion immer auf korrekter Spannung gehalten wurde. Dieses Konstruktionsmerkmal sowie der Kettenantrieb fand auch im Flugzeugbau Verwendung. Öldicht in einem Aluminiumgehäuse verpackt, trieb die Kette auch die oben liegende Ölpumpe an. Wie gewöhnlich handelte es sich bei der Ölversorgung um Trockensumpfschmierung, neu war hingegen die Tatsache, dass das Pleuel auf Rollen lief.

Der Zylinderkopf hatte tiefe vertikale Rippen, der Magnet befand sich wieder in einer empfindlichen Position im Bereich von Spritzwasser und Schmutz vor dem Motor.

Eingepackt war das ganze im alten Big-Port-Rahmen.

AJS K7
AJS K7

Jimmy Simpson brachte das neue Modell in der TT 1927 zum dritten Platz und siegte anschließend auf dem Kontinent in den 350er Rennen in der Schweiz, in Belgien und im europäischen Grand-Prix.

Nun war man bei AJS überzeugt, einen wahren Nachfolger der Big-Port lancieren zu können und schon 1929 erschienen im Verkaufskatalog für den Privatfahrer erhältliche Replikas.
Zu dieser Zeit kam auch zum ersten Mal der Name AMAL ins Gespräch. Ein Zusammenschluss der drei berühmten Firmen Binks, AMAC und Brown & Barlow.

Kurioserweise kehrte AJS für die Saison 1928 zu den Stoßstangenmodellen zurück. Einzig neu war nur die Schwinggabel.

George Rowley wurde in der Senior Zweiter und Simpson erreichte wie immer die schnellste Runde. In der kleinen Klasse war die beste Platzierung lediglich ein sechster Platz.

1929 steckte der OHC-Motor in einem neuen Rahmen mit dem ungewöhnlichen Satteltank, der eine Vergrößerung des Tankvolumens mit sich brachte.  Größere Bremsen und eine Neugestaltung der Ölversorgung waren die anderen Verbesserungen. Diese Veränderungen betrafen ebenfalls die Halbliterversion mit 495 cm³. Fans leuchtete der neue Satteltank in einem braunen oder purpurfarbenen Mittelfeld entgegen.

Nach einigen Ausfällen in beiden Klassen zeigte es sich aber, dass einiges an den Cammies verbessert werden musste.

1930 R7 works Leo Davenport
1930 R7 works Leo Davenport

Freddie Hicks nahm ein Angebot der Stevensbrüder an, um die 1930er OHC-Maschinen weiter zu entwickeln. Nochmals vergrößerte Bremsen, einen den hinteren Teil des Rahmens verstärkende Strebe und eine zusätzliche Ölpumpe für das Nockengehäuse waren die Ergebnisse Hickscher Anstrengungen.
Manch einer der treuen AJS-Fans waren froh, anstatt der seltsamen Farben wieder ihr klassisches Schwarz mit goldenen Linien zu sehen. (Bin nicht so froh darüber)
Hicks ersann zudem einen neuen, stärkeren Rahmen mit einzelnem Oberzug und eine Girdergabel mit größeren Lagern der Bolzen.

Neben den 350 und 500er Modellen erschien auch eine Viertellitermaschine, die von Jimmy Guthrie gefahren wurde.

Und wie schon im 1. Kapitel erwähnt, schafften die beiden kleinen AJS Platz 1 und 5 und hätten die Collier-Brüder 1931 nicht AJS übernommen, hätte sich der interessierte Fahrer auch davon eine Replika ins Wohnzimmer stellen können.
Nach dem Sieg wurden sie aus unbekannten Gründen nie wieder von der Fabrik eingesetzt.
Nur eine Maschine schaffte in Südengland auf kleineren Veranstaltungen viele Rennsiege.

Als sich schon die nächste TT ankündigte, war die Übernahme der Firma durch die Collier-Gebrüder bereits im Gange. Freddie Hicks und George Rowley kamen mit Junior- und Seniormaschinen wieder auf die Insel, Unterstützung vom Werk gab es aber kaum noch.

Die Rennen wurden für AJS zu einem Desaster: Hicks stürzte an vierter Stelle liegend bei der Jagd auf die Nortons bei Union Mills und verstarb noch an der Unfallstelle. Rowley wurde in der Junior nur Neunter.

Das Werk in Wolverhampton wurde geschlossen und der ganze Tross zog zur Firma der neuen Besitzer, H. Collier and Sons Ltd. nach Plumstead bei Woolwich/London.
Dies war sicherlich der ungeeignetste Platz für eine Motorradfabrik, den man nur finden konnte: direkt an einer der verkehrsreichsten Straßen Londons, erreichten die Lieferungen der Zubehörhersteller aus den Midlands (also aus der Gegend von Birmingham) gewöhnlich verspätet die Fabrik.

AJS und Matchless unter einem Dach - damit wurden die Probleme nur noch größer.

In den nächsten Jahren ereignete sich um die Cammy nicht viel.  Rennen wurden von den neuen Herren nicht bestritten.

Unser guter George Rowley, (übrigens schnappte der sich eine der Stevens-Töchter!) konnte und wollte sich damit natürlich nicht zufrieden geben und knabberte solange an den Ohren der Chefs herum, bis er die Erlaubnis bekam, eine der 30er TT-Maschinen zu einem Trialrad umzubauen (!!). 1932 war er sogar Mitglied des siegreichen britischen Six-Days-Team.

Rowley geriet dann mit der Führungsetage aneinander, als eine der originalen 30er-TT-Maschinen sechs Monate später als vorgesehen von Italien nach England zurückgeschickt wurde. Es war nicht die Frachtfirma, die dafür verantwortlich war, sondern das Werk selbst, da es die Frachtkosten von £10 nicht bezahlen wollte.

AJS M10
AJS M10

Die Colliers hatten einfach kein Interesse an dem Ding, für sie konnte es bleiben, wo der Pfeffer wächst, in diesem Falle wuchs der Pfeffer halt in Italien.

Der Sage nach schlich sich der treue George nach Dover, bezahlte den Zehner und brachte das gute Stück nach Plumstead zurück, wo er es im Werk unter einer Plane versteckte. Sie schien noch in einem recht guten Zustand zu sein und so meldete sich Rowley, natürlich ohne den Bossen Bescheid zu sagen, zu den 500er und 350er-Rennen beim Brooklands-10 Meilen-Grand-Prix. Nachdem der veranstaltende Club die Starterliste veröffentlicht hatte, glaubten viele Journalisten an eine Rückkehr von AJS in den Rennsport.

Als Harry Collier Wind davon bekam, soll er zunächst etwas wild geworden sein, später sah er aber das Groteske der Situation ein und zum guten Ende durfte der wackere George mit höchster Erlaubnis an den Start gehen. Dort hat er in beiden Rennen das Beste gegeben und hätte sich nicht ein Gummistück der Benzinleitung gelöst, wäre mehr als der fünfte Platz in der Junior herausgekommen. In der anderen Klasse erreichte er in einer Gruppe mit den neuesten und schnellsten Halblitermaschinen Platz sieben.
Am nächsten Montag hatte George Rowley einen Termin bei Harry Collier.

Er sah sich schon gefeuert - doch Mr. Collier gratulierte ihm zum Erfolg vom Samstag und kam mit der unverhofften Neuigkeit heraus, dass die Direktoren den Widereinstieg in den Rennsport und die Weiterentwicklung der OHC-Maschinen beschlossen hatten. So wurde für 1933 eine Reihe von Replikas aufgelegt und zusätzlich eine Trialversion, um damit den ISDT-Sieg von 1932 zu vermarkten.

Harry Collier erwägte, die Firmenleitung zum Bau von weiteren Renn- und Wettbewerbsmaschinen zu bewegen, um die seiner Meinung nach zu erwartende Nachfrage befriedigen zu können.
Als Ergebnis zeigte sich die Ajay nun in einer völlig neuen Form.

Es gab mehrere Modifikationen, die den Motor selbst betrafen, u.a. die Verlegung des Magnets von seiner gefährlichen Position vor dem Kurbelgehäuse zu einer Plattform hinter den Zylinder.
Ein neuer Rahmen und ein Vierganggetriebe mit Fußschaltung waren die anderen Fakten. Gänzlich verändert wurde der Ölkreislauf, indem die Förderpumpe nun auf den Kettenkasten saß und von der Nockenwelle angetrieben wurde.

Die Rennversion wurde mit einem geraden, leeren Auspuffrohr geliefert, Brooklandskannen gab’s auf Wunsch. Zurückversetzte Fußrasten und frisierte Motoren mit verschiedenen Kolben, ob 7,5, 9 oder 11 Kompression waren wahlweise erhältlich.

Die Trophymodelle fuhren mit dem niedrigen Kolben, hochgelegtem Auspuffrohr und zylindrigem Dämpfer und Kurbelgehäuseschutz aus Stahl.

Für günstige £65 für die Kleine und £70 für die Größere gab’s die Maschinen.

Grays, einer der großen Motorradhändler sicherte sich einen Schwung der 350er Cammies, die wahrscheinlich aus Ersatzteilen zusammengebaut wurden, die noch in Wolverhampton auf Lager gelegen hatten und nach Ansicht der Colliers veraltet waren.
Es ist wahrscheinlich, dass die Leute aus Plumstead gleichzeitig eine Reihe von späteren Rahmen, Rädern und Kotflügel dazu gaben, um den Deal komplett zu machen.

Für £48 angeboten, verkauften sich die Ajays mit der Modellbezeichnung T7 oder T10 von Grays wie warme Semmeln (oder wie warme Scones).

Rowley und seine Leute bauten die Motoren so um, dass die neuen Besitzer die zuletzt gebräuchlichen Förderölpumpen anbringen konnten, doch die Fahrer erlebten öfters Brüche der Pumpenwellen und dann wurde des Fahrers Bein mit heißem Shell Grand-Prix-Öl bekleckert.

Aber wenn diese Schwierigkeiten erstmal beseitigt waren, stellte sich das AJS-Sonderangebot als äußerst konkurrenzfähig heraus. Für einen offiziellen Start bei der 33er-TT war es zu spät, auch der obligatorische AJS-Starter in der Junior fiel aus.

1934 AJS Senior TT Tyrell Smith
1934 AJS Senior TT Tyrell Smith

1934 waren es fast serienmäßige Maschinen, die in der Junior mit unserem Freund Rowley und anderen Fahrern Platz 11 und in der Senior die Plätze 7,9 und 12 erreichten.

In aller Stille war das Trophymodell aus dem Programm genommen worden, damit man sich auf die Straßenrenner konzentrieren konnte.

Durch horizontale Rippen des Zylinderkopfes verriet sich die 34er-Version, wobei für die TT-Maschinen zum ersten Mal Haarnadelventilfedern verwandt wurden und lange außen liegende Haltebolzen den Zylinderkopf sicherten.
Diese Modelle stellten sich als viel zu schwer heraus, so dass man im nächsten Jahr eine Menge Elektron und Leichtmetall verbaute, um auf befriedigende 140 kg zu kommen.

Da von dem Vierzylinder keine Replika gebaut wurde, konzentrierte sich alle Entwicklungsarbeit auf die OHC-Modelle. Jede Kleinigkeit, die sich im Rennsport als brauchbar erwiesen hatte, wurde im folgenden Jahr für die Serienmaschinen verwandt. Dazu gehörten Verbesserungen der Ölpumpe, ein Burman-Getriebe, Gabeln mit zusätzlichen, einstellbaren Federn und größere Tanks.

1934 works team
1934 works team

Für 1937 gingen die Colliers in der Firmenpolitik noch weiter und kündigten nach der TT absolute Replikas für £87 5s an. Sie sollten den neuen Doppelrohrrahmen mit einfachem Unterzug und Megaphonauspuff besitzen.
Weiterhin sollte jede Maschine in Brooklands getestet worden sein.

1938 wurde für die TT wiederum ein neuer Rahmen mit kurzer Schwinge entworfen, die über unten und oben am Rahmen angeschraubte Federpakete mit dem höher liegenden Rahmenrohr verbunden war.

Tatsächlich war dies der Vorläufer der berühmten Boy-Racer.

Vielleicht später mal mehr darüber...

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